Und der goldene Ball steigt in die Luft, achtzehn beste Spieler*innen aus Bern plus Einzugsgebiet, aus Burgdorf, Lyss, Thun; aus Wittigkofen, der Lorraine, der Länggasse versammeln sich auf dem Feld, ein Flutlicht lässt sie im Dunkel aufscheinen: Bern Allstarz, siebzehn Jungs und eine Frau geben sich das Mikro nacheinander in die Hand, gut 6000 Views auf Youtube und die Kommentarspalte explodiert. «Bern ish ummmmme» – «Diiiggr jede angers grisse» – «respekt a auii Bern ufs feinste Representiert» – und Support an die Brüder und Schwestern. Achtzehn Parts, jede angers grisse: jeder das eigene Berndeutsch und der eigene Style. Jungs hängen mit Pappbechern und lila beleuchteten Gesichtern vor der Apotheke herum und verwaschen ihre Stimme mit Autotune, andere raspeln ihre sechzehn Bars in aller Härte, sie hängen in besetzten Häusern, im Backstage, vor Wohnblöcken oder in der Tiefgarage. Und Laureeta sitzt inmitten ihrer Girl Gang im Schlafzimmer auf dem Bett, macht Doubletimes auf Spanisch und Englisch.
«Mir würden fünfzig talentierte Leute einfallen, weisst du», sagt Doapamin am Telefon, der die Idee hatte zu diesem zwölfminütigen Film ohne Hook, es ist eine Zeit ohne Cypher und da kann dieses Video Ersatz sein, ein bisschen zumindest. «Aber es war schon aufwändig genug, achtzehn Leute zu koordinieren, und irgendwann ist es auch mal gut.» Es sind fast alles Freunde oder Bekannte von ihm und kid.LOKY, der mitproduziert und gemixt hat, der jüngste siebzehn, der älteste 36 Jahre alt. Alle hätten sich gefreut, einen Part beisteuern zu können; und manche hätten auch die eine oder andere alte Geschichte für das Projekt auf der Seite gelassen.
Natürlich ist das alles bubenlastig und muttergefickte Parts et cetera, Gielegangs, Mackertum in klein und gross. Aber man kann das auch als Studie sehen – wie sich hier Lebenswelten auftun, jeder sein schmaler Schnitz Daheim, die Handzeichen, die Codes, die Bewegungen und der Konsum, die dieses Daheim mit zu dem machen, was es ist. Ein Effy29-Plakat an der Wand, eine Automarke, ein Mani-Matter-Zitat erzählen ein bisschen etwas über soziale Herkunft und Umfeld – weisse Sneakers haben trotzdem alle an.
Kein leichtes Unterfangen, die alle auf den gleichen Beat einzupassen und ins gleiche Video, das aber zusammenhält, durch Kameraführung und Bildsprache, es ist wie eine Miniserie, die durch Bern führt, in die Aussenquartiere, raus eben auch in andere kleine Städte mit ihren stolzen Szenen. Das ist alles Berndeutsch, auch das Spanische, Arabische, Französische, Englische, Hochdeutsche, Portugiesische, das sind alles Leute, die sich am Ähnlichen orientieren und ganz unterschiedlich herausgekommen sind – die die verschiedenen Styles im Rap auf ihre eigene Weise annehmen und beanspruchen. Die Lean Kids haben gar wenig zu tun mit dem deutschen Gangstarap, seinem Koks und seinen Waffen; die einen schmächtig und sweet und die anderen breit und wütend. Es reicht, im gleichen Video zu sein, um zu sagen: Schaut mal, das alles gibt es hier, «Bern ufs feinste Representiert». «Ich wollte alle Facetten drinhaben, dazwischen Brücken schlagen», sagt Doapamin, ganz bodenständig diplomatisch. Und dass er ein wenig hoffe, der Funke würde vielleicht auch über Bern hinaus schlagen.
Bern Allstarz: «Ballon d’Or», produziert von Doapamin, Mishon und kid.LOKY, ist am 3. April erschienen.
Rec Out ist da, wo du am Pult den Cinch-Stecker einstöpselst, damit was klingt am Jack-Ende. Bei KSB heisst Rec Out regelmässig Schreiben zu naheliegender Musik.