Man kann diese Geschichte so erzählen: Es gibt eine Truppe im Land, die bezeichnet sich selbst als Chaostruppe, darin sind so viele, dass man sie gar nicht zählen kann. Es umgibt sie eine Aura des Gefährlichen, ihre Mitglieder machen Schmuddelrap am Tag und Randale in der Nacht, was sie so anziehend macht, dass alle Mädchen der Stadt verliebt sind in sie und alle Jungs Teil der berüchtigten Truppe sein wollen. Sie tragen Sturmmasken und nehmen Drogen. Ihre Songs beschäftigen die Gerichte und stiften zu Gewalt an, zu Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung: Anarchie und Mackertum imene Schwizer Gartehus.
Aber diese Geschichte ist nicht wahr. Denn man könnte ja auch so: Es gibt eine Truppe in diesem Land, die bezeichnen sich selbst als vierzäh ufsträbendi Karrieretype und ei Frou, yo. Sie kommen von dort, wo in diesem Land der Rap her ist, vielleicht weil sich die Laute ihrer Sprache weich in die Beats legen und vielleicht, weil es keine andere Sprache gibt, die so freundlich unhöflich klingt. In den Neunzigern sind die meisten von ihnen noch zu klein, aber sie nehmen später den Faden auf, der von anderen ausgelegt wurde; sie werden in der Reitschule gross, in besetzten Häusern und zwischen Zugwaggons. Heute tragen sie selbstbedruckte Pullis und Sturmmasken, sie kleben kleine Bretter an die Wände der Stadt.
Das Album ist natürlich eine Zumutung. Es ist zu lang und dabei nicht sehr dicht. Man verliert ein wenig den Überblick, wenn immer noch einer kommt: noch ein Part, noch ein Skit, noch ein Track. Aber die Songs sind selten schlecht, oft zärtlich und manchmal ein wenig albern, sie stiften eher zu Gemeinschaft an als zu Gewalt: Wir sind klein, zusammen machen wir uns gross und alles ist furchtbar kompliziert. Es geht um Wohlstand und Unwohlsein, um Revolte und Resignation. Alltag heisst eher auf dem Vorplatz rumhängen als Nazis verhauen. Eher pure love als pure hate.
Vielleicht ist auch die zweite Geschichte gar nicht wahr. Vielleicht hat man sich hinreissen lassen von diesem sympathischen Video zur neusten Demohymne; die Truppe im Garten mit Quöllfrisch und Bong, auf dem Balkon mit Kugelgrill und in der Küche mit Malkasten. Anarchie und Mackertum imene Schwizer Gartehus. Die Wut im Bauch kann man schliesslich auch haben, während man alten Menschen über die Strasse hilft.
Chaostruppe: «Umverteilig (zu üs)» ist am 1. Mai erschienen.
Rec Out ist da, wo du am Pult den Cinch-Stecker einstöpselst, damit was klingt am Jack-Ende. Bei KSB heisst Rec Out regelmässig Schreiben zu naheliegender Musik.