Rec Out → Download This Album For Free

Das ist nur ein Bruchstück aus der Geschichte des seltsamen Musikers und Künstlers Roger F., der anscheinend nicht in diese Welt hineinpasst. Sein Dasein ist ein Widerstand im Strom und die Behauptung dieses Texts, er habe sich das nie ausgesucht, entlastet ihn womöglich vom Vorwurf der Pose. Denn Roger F. kann es sich nicht leicht machen. Er ist ein weisser Mann mit Elektrogitarre und er singt über weisse Männer mit Elektrogitarre, ein Abgesang, den er freilich gar nicht singen kann. Er hat einen Master of Arts in Depression.

Dann wollte er doch einmal nach den Regeln spielen und ist an den esoterischen Gesetzen des digitalen Musikkapitalismus aufgelaufen, wie der Held eines frühzeitlichen 3D-Videospiels am Rand der Karte, wie eine Qualle. Oder ein falsch programmierter Staubsaugerroboter.

Dieses bisher letzte Kapitel der Entstehungsgeschichte dieses Albums erzählt mir Roger im Facebookchat, auf Englisch.

Story goes like: I am currently working on the release of an album which is originally titled «Download This Album For Free». It was important to me that it would appear on platforms such as Spotify and Apple Music, on the big evil platforms that distribute music to very many people and who leave very little money for the ones creating what they distribute. But CD Baby, the company that distributes music to these evil distributors, could not accept the title given to the album, because the evil distributors do not accept album titles with price indication. I tried arguing with Rene Magritte’s «Ceci n’est pas une pipe», but it did not work. Despite the fact that my album was already pressed on vinyl and printed on cardboard, for the evil distributors I had to make a compromise, renaming the album «You Can’t Download This Album For Free Here». They accepted the title but not the new design I handed in, for shady reasons. I had to rework the handwritten green text I added, because «at the moment, that green text appears to be written on a phone.»

Seine Geschichten erzählt der Mann, der neben der Autobahnverzweigung Härkingen aufgewachsen ist, zwischenzeitlich in Bern und mittlerweile im belgischen Gent gestrandet, immer auf Englisch. Es ist schliesslich die Sprache des Kapitalismus und der Kritischen Theorie, aber es ist auch die Sprache von Lou Reed. Also kämpft sich Roger F. auch auf diesem zweiten gescheitert-gescheiten Album durch die Krisen des Daseins und besingt das Miserable im Menschen und das flüchtige Glück, das nur die nächste Falltür ist. Singt von der Psychologie des Profilbilds, von Schuld und Freiheit und dem Kunstbetrieb. Und reserviert sich den letzten Strick immer selbst: Die gescheiten Männer im taumelnden «Cucumber Song», referierend von Gott und Ethik und Moral, schauen am Schluss still der Barfrau zu, wie sie die Gurke für den Drink in sehr kleine Stücke zerhackt.

Die Lieder kippen vom Brüchigen ins Brachiale und vom Banalen ins Allgemeine, klingen in der Tradition weisser amerikanischer Loser- und Loner-Musik, als Grunge, bevor er dicke Hose hatte, als Punk mit Selbstzweifel und Humor. In den schönsten Momenten auch als schiefwinkliger DIY-Pop. Bandkollege Andrej Marffy spielt das Schlagzeug und weitere instrumentale Eingaben ganz im Sinn dieser Aussenseitermusik, die der belgische Produzent Kasper De Sutter auch nicht zu beschönigen versucht.

In Belgien gibt es das Phänomen der Belgian Solution. Sie ist das auf viele Lebensbereiche erweiterte Prinzip des Gaffatapes, Probleme zu erkennen und möglichst rasch zu beheben, woraus sich immer ein neues, mindestens ästhetisches Problem entwickelt. Oft bleibt der ursprüngliche Anlass für den Eingriff am Ende völlig rätselhaft und erfreut dafür die Popkultur. In Roger F.s Wohnung im vierten oder fünften Stock am Rand der Genter Altstadt muss, wer die Toilette benutzen möchte, durch die eines uninspirierten Tages eingebaute Duschkabine klettern und mit hoher Wahrscheinlichkeit nasse Füsse kriegen.

Foto © David Helbich

«Download This Album For Free» von Roger F. & The Structure erscheint am 28. August 2020 und ist unter abgeändertem Titel auf allen digitalen Plattformen erhältlich sowie als Originalausgabe auf Vinyl. Im Juli hat uns Roger Fähndrich eine Postkarte aus Gent zugesandt.

Rec Out ist da, wo du am Pult den Cinch-Stecker einstöpselst, damit was klingt am Jack-Ende. Bei KSB heisst Rec Out regelmässig Schreiben zu naheliegender Musik.