Rec Out → Dr Bus isch da

Innerhalb einer Woche sind zwei Rapalben erschienen, die sich aufdrängen, aus Nostalgiegründen schon nur. Sie haben nicht unbedingt viel miteinander zu tun, ausser, dass sie sich in der Geschichte des deutschsprachigen Hip-Hop in einer Zeit einordnen, in der sie mittlerweile auf so vielen Ebenen ironisieren (können), dass der Durchblick schwer wird. Was ist jetzt genau gemeint und was davon ernst? Und wie intelligent sind die eigentlich wirklich?

Erstere K.I.Z, das «Album zum Album», weil das «richtige» mit dem schönen Titel «Rap über Hass» im Mai rauskommt und ein Promo-Album vor Jahren schon gut funktioniert hat. Es ist streckenweise sehr lustig, back to the roots, man fragt sich nach dem Durchhören nur: Was ist deren Problem mit Sex?

Letztere und lokalere Fischermätteli Hood Gäng, Joggelfraktion der Chaostruppe, nach einigen Minuten und vier Mixtapes an der Bushaltestelle nun das erste «richtige» Album mit dem lustigen Titel: «Dr Bus isch da». (Was ist deren Problem mit dem Öffentlichen Verkehr?)

Die Chaostruppe plagt ja schon immer der Widerspruch, unanständigen Battle Rap machen zu wollen, sich aber auch mit dem Anspruch in einer linken Szene zu positionieren, solidarisch mit Minderheiten zu sein; sich folglich nicht diskriminierend zu äussern. Ein Minenfeld, und Battle Rap liebt es nun einmal, wenn es knallt – da kann es schon sein, dass es mal eine*n blöd trifft. (Über die strukturellen Gründe dafür, dass jene, die es trifft, oft Frauen sind, dass Sexismus offenbar immer noch einfacher auszuhalten ist als Rassismus, und so weiter und so fort, muss an einem anderen Ort gestritten werden.) Die Berner Street Credibility wurde schon immer auf dem Vorplatz zwischen Exzess, Schlägereien und Reitschulmanifest verhandelt und ein bisschen Gift braucht es vielleicht einfach gegen die Langeweile. (Oder wie es jemand einmal treffend formuliert hat: «Wir wollen ‹Riesenglied›, nicht ‹Hurra, die Welt geht unter›.»)

In anderen Worten: Darf man sich gegen Sexismus aussprechen, wenn man sich gleichzeitig weigert, auf «Mutterficker» zu verzichten? Es würde diesem komplizierten Feld kaum gerecht, darauf eine klare Antwort parat zu haben; es ist eben nicht immer so einfach, gut und böse zu benennen, wenn der Beat geil ist, der Flow und der Style.

Also gilt es abzuwägen. Und von der Chaostruppe kann das FHG mit Abstand am besten: klar links positioniert, aber nicht moralisch aufgeladen, reflektiert, aber nicht conscious. Humor muss man ausprobieren, da ist es auch in Ordnung, wenn mal einer drüber geht. «Dr Bus isch da» ist ein Album voller Hymnen, die nicht zwingend für die Demo geeignet sind, ein Rapalbum ist schliesslich nicht das Gleiche wie ein Communiqué. Und auch Rap muss man ausprobieren, da ist es schon in Ordnung, wenn nicht alles einwandfrei funktioniert. Wie viel Lust drin steckt, wird im Übrigen auch so klar: FHG ist vermutlich das einzige Projekt, das es jemals geschafft hat, kein peinliches Crowdfunding aufzuziehen, und sie haben sich weit aus dem Fenster gelehnt.

Bei den Drogen geht er ihnen dann wie immer doch noch ab, der Humor, «Mama, dr Ma mitem Stoff isch da» eine Hymne wie fürs Blaue Kreuz, wie sie da so undifferenziert und spröde mit der Moralkeule fuchteln. Die ganze Doppelbödigkeit, die Falco dem Koks immerhin noch gab, dahin. Nicht so schlimm, wird zwei Tracks später wettgemacht mit einem Lobgesang auf Krawall und Gewalt, hier wiederum fein ironisch gebrochen und trotzdem mit einer solider Abneigung gegen Hippies.

«Dr Bus isch da» ist in diesen Zeiten auch deswegen so gut, weil es mit der Seuche rein gar nichts zu tun hat, weil eine Nacht an der Piratenbar mit lauwarmen Drinks darin realer ist als die Schliessung aller Lieblingsbeizen, die Leichtigkeit tut einem fast weh. Nachdenken über Bus und Tram, so könnte dieses Album übrigens auch heissen, weil das ein wiederkehrendes Thema ist: Die Innenausstattung (etwa Bussitze) und jene aussen (etwa so), es ist offensichtlich auch Bubenmusik. Was deren Problem ist mit dem Öffentlichen Verkehr? Dass er nicht gratis ist, natürlich.

«Dr Bus isch da» ist heute erschienen.

Rec Out ist da, wo du am Pult den Cinch-Stecker einstöpselst, damit was klingt am Jack-Ende. Bei KSB heisst Rec Out regelmässig Schreiben zu naheliegender Musik.