Gastropada treffen selten aufeinander, ihre Leben sind langsam. Sie schieben sich auf nur einem Fuss durch die Angelegenheiten, müssen sich nicht festlegen, müssen sich nicht kümmern. Wenn sie schliesslich doch einer anderen Schnecke begegnen, dann steht ihnen eine ganz unbiblische Schöpfungsfreiheit zu, denn dann ist alles da: ein umfassender Genitalapparat, Öffnung, Penis, Vagina, sich zu zweit neu zu erfinden in hermaphroditischer Leichtigkeit.
Das Leichte mit dem Schweren verbinden, Eros, Ekel, Schönheit. Die gerade Linie und die kosmische Kugel. Film 2 aus Luzern und Bern verstehen sich mit dem ersten Takt auf diesen metaphysischen Balanceakt. Nach knapp vier Minuten ist alles gesagt und nichts verstanden, hat eine hadernde Sprachnachricht für Zestreuung gesorgt, ist eine kaltblütige musikalische Operation über einen weggefegt, mechanisches Schlagwerk, motorische Rhythmik. Wie eine kühne moderne Architektur lässt der schwere Sockel seinen Überbau in den Himmel fliegen. Der Text tropft hie und da aus der Musik, lässt sich nicht festlegen. «Alles ist nichts. Alles ist.»
Im Video von Sophia Fries paaren sich die Schnecken auf einer nackten Frau. Sie verhandeln ihre Deutungen im befreiten Alles und Nichts ihrer Zwittrigkeit. Haut ist Haut und doch nur Zellen. Film 2 liefern die Tonspur dazu – und bieten die Gelegenheit, im peitschenden Viervierteltakt mindestens über die Vorzüge neuer Regeln für das Liebesspiel nachzudenken.
Als Behauptung im Gedenken an Herrn Gabi Delgado von der Deutsch Amerikanischen Freundschaft, der dieser Tage ins Universum fortgeflogen: Das hätte ihm wohl gut gefallen, dieses Spiel und dieses körperliche Treiben.
Auch gut: Jetzt wissen wir, wie Schnecken von unten aussehen. Es ist ein durchaus erfreulicher Anblick.
«Fünfzigtausend Sterne» ist auf Oh, Sister Records erschienen.
Rec Out ist da, wo du am Pult den Cinch-Stecker einstöpselst, damit was klingt am Jack-Ende. Bei KSB heisst Rec Out regelmässig Schreiben zu naheliegender Musik.