Rec Out → Nüt isch guet u aus isch scheisse

Vorneweg: Die 3018 Bar ist Geschichte, die Belegschaft sitzt jetzt schon am Nachmittag in der Schüdere im Bachmätteli, reiht Stangen auf und sieht dabei ganz glücklich aus.

Was ist los? Kürzlich hat uns folgendes Poetikum erreicht:

Prix Garanti machen Musik, die aber nicht gut ist, sondern scheisse. In der Scheisse entdecken sie aber neues, dort ist die Schöpfungskraft.

Und wo die Schöpfungskraft ist, da werden auch die vom billigen Alkohol blinden Augen des Kulturmagazins wieder durchsichtig, da sieht man gerne hin und staunt über ein neues Erzeugnis aus dem Untergrund. Prix Garanti nennt sich das Antipop-Unterfangen und ist, mit Ausnahme der anerkannten Künstlerin Milena Keller, ein recht ehrenloser Haufen. Das trifft sich aber gut: Denn Ehre ist ein problematischer Begriff und scheitern kann nur, wer noch Luft nach unten hat.

Sie können nichts und deshalb alles. Natürlich befassen sich Prix Garanti mit Musik, Musik kommt nur von Musik. Ihre erste EP – ist scheisse. Aber viele erste Alben sind die besten, also ist es natürlich auch das beste. Die Texte irgendwo zwischen Kummerbude und Abrissparty, die Musik auch, industriell, tanzbar, weinbar, wütend und schnulzig, es fehlt an allem und trotzdem ist alles dabei!

Textlich bleibt die Sache auf dem zweiundzwanzig Minuten langen ersten Album natürlich so angenehm flach wie ein gutes Dosenbier, «schäbig isch gäbig» heisst es schon im Intro, in der Folge: Selbstzerstörung mit Partydrogen, sprichwörtlich abgefedert. Wieso DJs Gewinnertypen sind. Weshalb YB nicht mehr glücklich macht. Wie man sich einen Mops aus China bestellt. Und was die Hauptstadt sonst noch so umtreibt: die Aare nämlich, das Daheimbleiben zwischen Wankdorf und Wagenplatz, die Stange für 3.50 in der leider historischen 3018 Bar – «u ab und zue no chli ga spraye, u ab und zue no chli vor Brügg i d Aare la gheie», die perfekte Balance zwischen Widerstand und Genügsamkeit, die wohl einen ähnlichen Effekt hat, wie wenn man in Wasser badet, das Körpertemperatur hat. Die perfekte Balance zwischen Sozialkritik und Geburtstagsfest, zwischen Tommy Vercetti und Tomazobi, zwischen guter Scheisse und Scheisse.

Wenn der Appell zum Tanzen komplett aussteigt und das benommene Gesings (ist es weinen, einschlafen und ins Megafon schreien gleichzeitig?) auf eine *sad piano ballad playing* niedergeht, dann ist der falsche Film eben der richtige. Und Scheisse Gold, es dampft daraus die Verlierer-Poesie.

Nüt isch guet u aus isch scheisse, aber irgendwie ist alles recht und alles scheisse – und alles wahr, was Prix Garanti hier erzählen und zusammendilettieren, gültig für dieses Jahr, das vielleicht vor lauter Langeweile noch beschissener wird als das letzte. Verdientermassen Sommerhit, für ruinöse Feste aller Art zu buchen im Juli und August: prixgaranti@outlook.com.

«Nüt isch guet u aus isch scheisse» ist bei Nullkultur Records erschienen, im Internet und auf Compact Disc erhältlich.

Rec Out ist da, wo du am Pult den Cinch-Stecker einstöpselst, damit was klingt am Jack-Ende. Bei KSB heisst Rec Out regelmässig Schreiben zu naheliegender Musik.