«Gölä könnten wir vielleicht noch spielen»

Luzi the Uzi und TS Kalashni legen als DJ-Duo Illegyalz Wochenende für Wochenende Dancehall, Afrohouse, Bailefunk und Trap auf. Ein Gespräch abseits der DJ-Desks.

Das letzte Mal als ich euch gesehen habe, war kurz vor dem Lockdown. An jenem Wochenende habt ihr an der Jazz-Werkstatt in der Turnhalle gespielt und die Jeans-for-Jesus-Afterparty im ausverkauften Dachstock gemacht. 

Luzi the Uzi: Ja, und in Paris waren wir auch schon.

Und war das nice?

TS Kalashni: Es geht so.

Wann habt ihr angefangen aufzulegen?

TS Kalashni: Ich habe zuerst aufgelegt. Das erste Mal war an diesen DJ-Battles zwischen den Berner Clubs, ISC gegen Rikscha Taxi. Zsameszad ist fürs ISC angetreten und hat mich gefragt, ob ich mitmache und mir gezeigt, wie das geht. Und dann habe ich das gemacht, das war natürlich sehr basic und schlecht, alles nur mit so Youtube-Files. Später konnten wir im ISC eine eigene Partyreihe organisieren, also haben wir das Larash mit Trashmob und King Kilo gemacht. Dort haben Luzi und ich dann zusammen aufgelegt. Wann war das … vor vier, fünf Jahren?

Luzi the Uzi: Nein.

TS Kalashni: Nicht?

Luzi the Uzi: Das war vor drei Jahren.

TS Kalashni: Jedenfalls kam das durchs ISC ins Rollen und dann kamen die Underground-Partys dazu, Heavy Baile unter der Brücke, Ostermundigen und so.

Was ist der frauenfeindlichste Track, den ihr spielt?  

Beide beginnen gleichzeitig zu singen:

I got bitches all on my dick everyday
Suckin’ on my balls, lickin’ on my balls
Bitches, they know, stick it in their bootyhole
My balls, my balls, suck on my balls

TS Kalashni: Das ist «I Got Bitches» von A2M, aber den trauen wir uns eigentlich fast nicht mehr zu spielen.

Luzi the Uzi: Der Song ist eigentlich sehr ironisch. Jedenfalls klingt er für uns ironisch und wir spielen ihn ironisch.

TS Kalashni: Aber gerade in den letzten Monaten hat durch Black Lives Matter schon eine starke Sensibilisierung für Unterdrückungsstrukturen im Allgemeinen stattgefunden und auch bei mir immer mal wieder die Frage ausgelöst: «Kann ich das jetzt bringen?» Kürzlich habe ich zum Beispiel eine Story mit einer älteren Collage auf meinem Instagram hochgeladen. Das war ein Foto vom Colonial, das «Colonial» habe ich aber übermalt und durch «Drittes Reich» ersetzt. In der Story schrieb ich, ich sei über eine «lustige Collage» gestolpert. Dann habe ich mich plötzlich gefragt: Ist «lustig» wirklich das richtige Wort? Es ist nicht lustig. Vielleicht geht das einfach nicht mehr, auch wenn ich meinen Scheiss-Humor brauche, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Dasselbe gilt fürs Auflegen: Am Anfang habe ich die ganze Zeit so Haftbefehl und Xatar, Fotzen, fick die Schlampe und was weiss ich aufgelegt. Aber inzwischen frage ich mich schon, ob man das noch spielen kann.

Wie geht ihr mit dem Widerspruch um, dass ihr als Frauen Musik auflegt, die zum Teil frauenfeindlich ist?

TS Kalashni: Ich finde es geil, dass wir zwei Frauen sind, die Songs auflegen, die sich eigentlich gegen uns richten. Hinzustehen und zu sagen: Ja, wir hören aggressive, harte und «männliche» Musik. Dann merkst du im Publikum, wie dir die Männer Anerkennung geben. Das finde ich ein geiles Gefühl, nicht weil wir das brauchen, sondern weil wir die Erwartungen dieser Typen brechen können.

Luzi the Uzi: In solchen Momenten ist es spannend für uns Musik aufzulegen, die in unserer Position als weibliche DJs kontrovers ist.   

TS Kalashni: Wenn man einen feministischen Diskurs in unserem Freundeskreis oder in unserer Szene auslösen will, kommt man so viel weiter, als wenn man ausschliesslich Musik von Frauen und queeren Menschen spielt. So hast du einen Einblick in die Köpfe von Leuten, den du sonst nicht hättest, im Sinne von: Ah ja krass, ich hatte heute einen richtig geilen Abend als Sexist, bei einer Party, an der zwei Frauen aufgelegt haben.

Luzi the Uzi: Vielleicht kannst du denen auf diese Weise einen kleinen Funken Feminismus vermitteln. Und wir haben uns auch bewusst dazu entschieden, dass wir nicht ausschliesslich Musik auflegen wollen, die korrekte Texte hat, die sauber ist. Das geht ja auch nicht mit der Musik, die wir auflegen.

TS Kalashni: Ich fand das interessant bei Haftbefehl, der ja mit seinem weissen Album kürzlich so vom Feuilleton gelobt wurde. Da gabs einen Text von Miriam Davoudvandi dazu, die eine starke feministische Position vertritt und wie Haftbefehl selbst einen Migrationshintergrund hat. Sie sagt, dass man Haftbefehls Stimme als Deutscher mit Migrationshintergrund trotz oder unabhängig von seiner sexistischen Sprache wertschätzen kann. Ich höre Haftbefehl einfach auch immer noch gern, weil er irgendwie etwas Humor hat, nicht wie etwa Bonez MC, der von A bis Z einfach ein verdammter Wichser ist.

Wie ist denn das Geschlechterverhältnis bei der Musik, die ihr spielt?

TS Kalashni: Das ist eigentlich sehr ausgewogen. Es gibt ja auch ziemlich viel geile Musik, die wir nicht einfach spielen, weil sie von Frauen oder queeren Personen sind, sondern weil sie halt ballert. Zum Beispiel Stefflon Don oder Meghan Thee Stallion, die einfach richtig einen Fick gibt.

Ihr legt hauptsächlich Musik auf, die aus schwarzen Kontexten kommt. Hat sich diesbezüglich für euch mit der BLM-Bewegung und dem Antirassismusdiskurs etwas verändert? Es gibt ja auch Stimmen, die finden, dass man als weisse Person sowas gar nicht auflegen soll.

TS Kalashni: Ja, wir haben ziemlich viel darüber gesprochen während dieser Zeit, auch mit Freund*innen, die People of Color sind. Es ist schwierig, aber wir können ja sicher nicht einfach weisse Musik auflegen …

Luzi the Uzi: Also könnten wir schon, aber was hätten wir dann noch?

TS Kalashni: Du könntest nicht mal Techno auflegen. Ich finde es auch wichtig, dass die Leute checken, dass sowieso das meiste aus schwarzen Kulturen kommt; House, Techno, Jazz, Blues, Hiphop. Inhärent weiss ist praktisch nichts.

Luzi the Uzi: Gölä könnten wir vielleicht noch spielen.

TS Kalashni: Gölä? Geil. Nein, also das wollen wir ja auch nicht. Wenn eine Person of Color oder sonst wer nach einem Auftritt mit uns darüber sprechen will, wollen wir aber unbedingt zuhören und ein Gespräch führen. Und natürlich kaufen wir die Musik, die wir spielen, um die Künstler*innen unterstützen. Ausserdem recherchieren wir jetzt auch vermehrt, wenn wir irgendwelche Afro-House-Tracks mit Lyrics in einer Sprache oder einem Dialekt haben, die wir nicht kennen, damit wir zumindest wissen, woher etwas kommt. Ich finde es zum Beispiel auch wichtig zu wissen, dass «I Like To Move It» im Ruanda-Bürgerkrieg benutzt wurde, um die Hutu gegen die Tutsi anzustacheln.

Luzi the Uzi: Man kann nicht jede Sprache kennen und jeden Dialekt verstehen, aber man kann sich zumindest interessieren, sich damit auseinandersetzten und auf Gespräche einlassen, um zu lernen. Du musst es einfach ernst nehmen, wenn jemand kommt und Kritik äussert.

TS Kalashni: Einmal zum Beispiel haben wir im ISC nach Moscow Death Brigade aufgelegt. Da spielten wir als erstes so ein russisches Hardbass-Lied und die Lyrics waren halt russisch. Einer von Moscow Death Brigade, die ja voll antifaschistisch sind, kam dann zu uns und meinte, dass das Faschos seien. Und wir so: Scheisse, wir brauchen einen neuen Song, Rewind!

Luzi the Uzi: Lange haben wir einfach Party gemacht. Nicht, dass wir uns nicht für diese Themen interessiert hätten, aber wir waren immer in dieser Komfortzone eines Umfeldes, das sowieso politisch ist, wodurch man das Gefühl hat, man müsse sich nicht aktiv damit auseinandersetzen. Und jetzt merkt man, dass man sich damit auseinandersetzen muss, dass man zum Beispiel hinterfragen muss, ob es wirklich ok ist, eine Afro-Night mit mehrheitlich weissen DJs zu machen.

Mein Eindruck ist, dass sich gerade beim Auflegen bezüglich Diversität in letzter Zeit ziemlich etwas getan hat, zumindest was die Repräsentation von Frauen betrifft.

Luzi the Uzi: Ja, ich denke schon. In Bern gibt es immer mehr Frauen, die auflegen und wiederum andere Frauen als Vorbilder dazu ermutigen. Ich selbst habe mit 26 angefangen und es hätte mich schon vorher interessiert, aber ich bin natürlich nicht zu irgendeinem Typen hin und habe gesagt: Hey, zeig mir mal wie das geht. Es ist eine Hürde, wenn du niemanden kennst, der so ist wie du und das macht, was du machen willst.

TS Kalashni: Aber als Frau bist du immer noch nicht DJ, sondern weiblicher DJ. Da wirst du zum Teil auch von der Szene in eine Art Konkurrenzverhältnis zu den anderen weiblichen DJs gedrängt.

Luzi the Uzi: Einmal wurden wir an ein Festival gebucht und ein Jahr später fragte uns der Booker, ob wir noch andere Frauen kennen, die ähnlich auflegen wie wir, weil er uns nicht ein zweites Mal buchen kann. Aber den männlichen DJ, der damals auch aufgelegt hat, hat er ohne Problem ein zweites Mal in Folge gebucht.

TS Kalashni: Ich will unbedingt solidarisch sein und Frauen pushen, aber unsere Umgebung macht es uns nicht einfach. Wenn wir zusätzlich finanziell abhängig vom Auflegen sind, wird es richtig scheisse. Dann heisst das, dass entweder die eine oder die andere verdient, aber nicht beide, während die Männer eh jeden Abend Seite an Seite auflegen und verdienen.

Gibt es lokale Artists, die ihr spielt oder privat gerne hört?

Luzi the Uzi: Chico Chicago spielen wir hin und wieder. Walter Nice und Kater Karlo höre ich gerne.

TS Kalashni: Im Hiphop bin ich schon sehr US-amerikanisch geprägt. Aber ich finde zum Beispiel ziemlich nice, was Milena Patagônia macht, auch mit Cruise Ship Misery. Oder Kimbo aus Zürich.

Luzi the Uzi: Ich habe grossen Respekt für das, was in unserem erweiterten Umfeld produziert wird. Wir machen es uns ja einfach mit dem Auflegen. Da hat man sich die Skills schnell angeeignet und dann geht man auf die Bühne und hat ein Erfolgserlebnis.

TS Kalashni: Wir haben einmal versucht, einen Song zu produzieren, einen Baile-Funk-Edit vom «Zündhölzli» von Mani Matter. Das hat aber leider nicht geklappt.

In der kommenden Donnerstagnacht gehört die Rössli-Bühne ganz den Illegyalz, am 4. September trifft man Luzi the Uzi und TS Kalashni am Boasty im ISC und am 12. September am Tropical Death im Gaskessel. Zuhause in ihre Mixes reinhören kann man hier