Das Leuchten in den Zwischenräumen

Konserven, Kontext, Konzerte. KSB schreibt monatlich über Musik und Pop entlang dem schönsten Irrtum der Welt.

Es muss eine sehr gute Beizentour gewesen sein, oder mehrere, oder eine lange über viele Tage verteilt, eine Beizen- und Schuppen- und Hinterhoftour quer durch Kapstadt von diesen beiden, wie sie sich kennenlernten, Glas um Glas, vielleicht irgendwann im Morgengrauen entschieden, lass was machen, gemeinsam, sich dann verabschiedeten mit dieser fixen Idee. Und endlich ins Bett fallen.

«Some people are moving at eighty cilometres in an hour, you might move at ten cilometers in an hour, but you’re still moving downwards, so stop it – »

«Cape Town Skit», 2019, auf «Aus i Üs» – diesem melancholischen Kunststück von Baze, da ist die Stadt schon einmal aufgeblitzt. Er war hier 2014 im Kulturaufenthalt, Pro Helvetia, hat sich natürlich sofort eingenistet. Saufenkönnen ist eine gute Voraussetzung, Leute kennenzulernen und Redenkönnen auf jeden Fall auch. «I bi däheime wo mini Lüt si, aube nume churz nöime angers, mir gsenis im Früehlig.» In Kapstadt lernt Baze also Isaac Mutant kennen, daheim in dieser Stadt, seit den späten Achtzigern auch im Hip-Hop. Heute Rapper bei Dookoom, jener einer wütenden nicht unbedingt brachialen Noiserap-Crew. Auf, den Dreck aus den Ritzen zu kratzen, die Tapeten von den Wänden.

«Bru» heisst das Projekt und das Album, mit dem Baze und Isaac Mutant schon 2015 begonnen haben. Ende 2022 ist es erschienen, so beiläufig, wie Baze meist seine Alben und EPs aus den Händen fallen lässt. Nun kann man sich das anhören: Wie gut sich diese beiden Männer verstehen, sich den jeweiligen Schmerz lassen, auf gradlinigen, lärmigen Beats. Berndeutsch und Afrikaans nebeneinander, ein bisschen Englisch, das hebelt auch den Drang aus, immer alles ganz genau verstehen zu wollen, wie das gemeint ist und was das eigentlich soll. (Nur etwas: «Arabischi Wiudi» in Bezug auf eine Frau, in die du dich verliebst, Baze, im Ernst? Aber scheisse ist der Track gut.)

Und die Freude aneinander. «Bru» mag hart daherkommen, traurig auch – wenn Baze auf «Calm Before the Storm» das vorweihnächtliche Kapstadt beschreibt, Existenzen mit ihren spärlichen Habseligkeiten in einem Plastiksack, der Bus kommt nie. Aber da ist auch dieses Leuchten in den Zwischenräumen, ein kleines, kindliches Glück – das jetzt einfach machen wollen. Und machen. «Mit de Hümpe ufe Tisch chlepfe»: Wer schafft es, nicht aufzujubeln, wenn Isaac Mutant Baze› Refrainzeile am Ende von «Bring the Noise» nachspricht, ein Glucksen im Hals nur schwer verkniffen.

Baze, Isaac Mutant: «Bru». Eret Records, 2022. Dieser Text erschien zuerst in der gedruckten Februarausgabe des KSB Kulturmagazins.