Ein fades Loch

Hör mir auf mit Rock‘n‘Roll: Sex, Sport und Fressen – das ist das Triptychon des bana­len Glücks. Im Turnus widmet sich KSB der scheinbaren Einfach­heit des guten Lebens.

Es ist eine lange, langweilige KSB-Tradition, das Schliessen von Beizen zu betrauern, sich in linkem Konservatismus und Raucher:innen-Romantik zu suhlen und die Sache mit etwas Gentrifizierungskritik zu vergolden, also auch in einen Chor mit Leuten wie Pedro Lenz oder Jürg Halter einzustimmen: lieber nicht. Aufhören damit, auch wenn man natürlich Recht hat.

Darum geht es hier nur am Rande um zum Beispiel das Tramway und die Schüdere, obwohl es wahr ist, dass Bern bald ein Stück alten Breitsch und ein Stück altes Bümpliz verliert und ja, man kann sich fragen, wo die Leute dann hingehen, die da immer sassen, welche Traurigkeit nun neu dahin kommt – aber lassen wir das.

Wobei eben die neue Traurigkeit, denn das ist wahrscheinlich der Punkt: Diese Stadt hat eine so miserable Gastroszene, dass man sich einen würdigen Ersatz mit neuem Konzept und Gewand beim besten Willen kaum vorstellen kann. Am Ende sitzt man vor Verzweiflung oder Resignation wieder bei KG Gastro o.ä., trinkt Wasser für Wasser und isst ein kreativ eingemittetes «Chrut u Rüebe» o.ä. plus Brotkorb (5.-). Hauptsache nicht auffallen, damit jedes hinterletzte Tinderdate zwar ohne Irritation funktionieren kann, aber ja kein Feuer fängt, jedenfalls nicht der Atmosphäre wegen. Oder dann: Momos. Oder es ist einem alles scheissegal und man isst bei Bindella einen überteuerten Teller Spaghetti ai Sapori di Mare (zahlt aber immerhin nichts für das Leitungswasser). Die Testesserinnen sind enttäuscht, gehen aber trotzdem wieder hin, weil wohin sonst.

Eine gute Beiz, das kann, muss aber nicht unbedingt bestes Essen bedeuten, aber Haltung, eine eigene Idee und die Überzeugung, dass Gastfreundschaft auch etwas damit zu tun hat, wie man die Leute behandelt, die für einen arbeiten. Es spielt dafür wirklich überhaupt keine Rolle, in welchem Segment man sich bewegt. Und es gibt sie in Bern, diese Handvoll Orte: Postgasse, Pizzeria Lory oder Lo Stuzzichino zum Beispiel und einige mehr, wo zu genannten Punkten ausserdem das Publikum einen vergleichsweise breiten Ausschnitt der Gesellschaft abbildet, das Essen solid bis gut und der Preis vernünftig ist. (Vielleicht ist es nur ein Zufall, dass sie alle von Frauen geführt werden.)

Darum, liebe Gastroleute, hallo Stadt und Geschäftemacher:innen frisch ab Schule, nur drei kleine Dinge: Dass die Leute alles fressen, wenn sie hungrig genug sind, ist keine Garantie dafür, dass eure Idee gut war. Jene Orte, die ihren Gästen auch aus sozialen Gründen unentbehrlich geworden und damit nicht austauschbar sind, könnte man auch einfach in Ruhe lassen. Und bitte – mehr Migration, weil was wäre dieses Land ohne, gerade auch beim Essen: ein gottverdammtes fades Loch.

Dieser Text erschien zuerst in der gedruckten Maiausgabe des KSB Kulturmagazins.