Gruss aus der Küche

Es ruhen da und dort die Kaffeemaschinen. 138 Restaurants, Bars und Beizen machen gar nicht erst auf. Das Berner Streikkomitee bringt Forderungen aufs Papier und trägt seinen Frust auf die Strasse. Ideelle Zündhilfe geleistet hat das Restaurant Sous Le Pont, bereits seit dem 30. November auf Eigeninitiative mit verschlossenen Türen – und per Naturgesetz postwendend der kleinbürgerlichen Süffisanz ausgesetzt: «Wenn ich eine Schliessung nicht aus dem eigenen Portemonnaie zahlen muss, könnte ich mir dies eventuell auch leisten» dreckelte man bei GastroBern, Dachverband der Berner Wirte, als ob das Restaurant der Reitschule deren gratis zur Verfügung gestellter Hobbyraum wäre. Dachschaden beim Verband, der sich so etwas leistet. Und damit umgehend zurück zum Fundament.

Die Basis der Gastronomie versammelt sich heute um 15 Uhr auf dem Bahnhofplatz, Sympathisant*innen sollen sich ebenfalls einfinden mit Pfannendeckeln als Cinellen.

Der Kollaps samstäglicher Verlustierungsprogramme oder ein instantaner Ausbruch des Sozialismus ist indes nicht zu befürchten. Die im Schreiben des Streikkomitees aufgeführten Punkte sind nüchtern-realpolitische Forderungen, verfasst in der Sprache des unmittelbaren Bremswegs, der Sprache der Wirtschaft in der Krisenzeit. Es geht um Öffnungszeiten, Schutzkonzepte, Entschädigungsleistungen, es geht schon längst ans Eingemachte. Kein politischer Grössenwahnsinn insgesamt – es ist ein Mindeststreik: Wo traditionell um bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne oder Grundsatzforderungen gestritten wird, geht es jetzt gerade mal darum, überhaupt arbeiten zu dürfen – oder von der Regierung geschlossen zu werden, um auf anständige Entschädigungen hoffen zu können. Das grosse Chaos bleibt erstmal aus.

Über den Wert der Beiz als einer der letzten verbleibenden Kulturorte zu diskutieren oder über die Strukturen der Lohnarbeit im Verdauungstrakt des Kapitalismus, dafür ist höchstens am Rand der Kundgebung Zeit. Aber was aus linker Perspektive gar staatstragend und brav daherkommt, hilft offensichtlich der Inklusion: Unter den 138 partizipierenden Betrieben tummeln sich nicht nur die Bars, Kneipen, Spelunken und Knellen mit Autoritätsproblemen, auch der juste Mittelstand wird sich da und dort seinen Kaffee woanders holen müssen als im kinderfreundlichen Lieblingscafé. Und so ist, wie überall, wo gestreikt wird, Solidarität von allen Seiten gefragt.

Das haben nicht alle verstanden. Preisverdächtig unsolidarisch zum Beispiel die Barbière am Breitenrainplatz: Statt sich der Arbeitsverweigerung anzuschliessen, laden die Herrschaften Designerbier munter zum Glühweinplausch, während sich, einmal über den Platz, das gutbürgerliche Grotto Ticino in den Protestreihen einfindet.

Seis drum. Wir heben solidarisch eine rostige Bialettikanne in die Luft und mischen uns unter den dringenden Protest. Und vielleicht erinnern wir uns bald zurück: Dann streiken wir, Kultur, Gastronomie, vereinte Randständige insgesamt, bald einmal im Grossformat. Dann, wenn wir wieder arbeiten dürfen, aber nicht mehr wollen.