It is hard to really own it

Unten in Afrika war es immer am schönsten. Im abgedunkelten 1. UG des Naturhistorischen Museums NMBE, wo man sich praktisch in die Savanne hineinsetzen konnte – zu Raubkatzen, Okapis, Gorillas. Die «Tiere Afrikas» sind hier in 38 Dioramen ausgestellt, die das «natürliche Habitat» dieser Tiere möglichst authentisch darstellen sollten. Die meisten der Tiere hier haben die Bernburger:innen Bernard und Vivienne von Wattenwyl in den 1920ern auf einer Jagdexpedition in Kenia und Uganda erlegt. Jetzt, 2022, hat auch das NMBE begonnen, über die eigenen kolonialen Verstrickungen nachzudenken und kontextualisiert die Dauerausstellung neu in Begleittexten: Unter welchen Umständen sind diese Ausstellungen entstanden? Und welche Bilder vermitteln sie bis heute?

«Es geht darum, das historische Bewusstsein als Bereicherung zu verstehen. Es geht nicht um Beschämung – erst recht nicht um individuelle. Das ist eigentlich konservativ: ein aufklärerischer Gedanke», sagt Gesine Krüger, Afrika-Historikerin mit postkolonialem Fokus und Professorin an der Uni Zürich. «Grosswildjagd und Kolonialgeschichte: Welche Rolle spiel(t)en wir?» heisst das Podium, auf dem sie sitzt und das vom NMBE an einem regnerischen Novemberabend veranstaltet wird.

Man hat sich viel vorgenommen mit dieser so breiten Ausgangsfrage und den ganz unterschiedlichen geladenen Gästen. Neben Krüger auf dem Podium: Antoine Spillmann, Vermögensverwalter, Grosswildjäger, Vorsitzender der Schweizer Sektion des Safari Club International; Solomon Sebuliba, Umweltbiologe, ursprünglich aus Uganda, forscht an der Universität Oldenburg im Bereich der politischen Ökologie; Stefan Hertwig, Leiter Wirbeltiere am NMBE; als Moderator ausserdem Wissenschaftsjournalist Beat Glogger.

Sebuliba und Krüger haben das Naturhistorische Museum bei der Kontextualisierung der Dioramen in ihrem historischen und ökologischen Kontext beraten. Das NMBE habe es nicht schlecht gemacht, sagen sie, man habe gut miteinander reden können. Dann Frage von Glogger an Sebuliba: «Sie kommen ja aus Uganda, Herr Sebuliba. Wie fühlt es sich für Sie an, diese Tiere hier im Museum zu sehen, die ja von Ihrem Kontinent kommen?» Sebuliba lächelt trotzdem. Und meint, er fühle eigentlich nichts: «When it comes to nature, it is hard to really own it.»

Zu Mensch und Natur hat Antoine Spillmann einiges zu sagen. Sowieso ist es die Jagd, die als so emotionales Thema an diesem Abend am meisten Raum einnimmt. Spillmann wirkt seltsam aus der Zeit gefallen, ein adliger Wiedergänger – wie er sich als edler Jäger inszeniert, als Gegenpol zum «fetten Ami, der Tiere abknallt». Er jage nur mit Pfeil und Bogen, sei «kein Katzenjäger», eher spezialisiert auf Büffel. Aus der Zeit gefallen – oder einfach unfassbar reich. Man muss die Tiere managen, sagt er, ebenso wie die Menschen. «Wir sind zu viele», das sagt er an diesem Abend immer wieder. Den Menschen in Afrika derweil könne man den Naturschutz nur «beibringen», wenn man sie bezahle. Eigentlich Zeit für eine kritische Nachfrage seitens Glogger, die aber ausbleibt – in Bezug auf die Naturschutzgebiete etwa, in vielen afrikanischen Ländern von den Kolonialmächten errichtet, die im gleichen Zug die einheimischen Jäger:innen zu Wilderer:innen degradierten, wie Historikerin Krüger tags zuvor in einem Interview mit dem «Bund» erklärte.

Dafür sagt Stefan Hertwig zu Spillmann, die Jagd sei doch nicht überall so einwandfrei reguliert, wie er das jetzt beschreibe. Und Sebuliba meint: «In Uganda ist es ziemlich leicht, an ein Permis zu kommen, das es einem erlaubt, artengeschützte Tiere zu jagen. Man muss nur genug Geld auf den Tisch legen. Würden Sie das auch machen, Herr Spillmann?» Dieser: «Wenn ich ein legales Permis bekomme und man das Tier mit Pfeil und Bogen schiessen kann, dann ja.»

Vollständig konfus wird es, als Krügers anfänglicher Hinweis, es gehe in der historischen Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe um Aufklärung, zu einem Argument gegen vermeintliche Denk- und Sprechverbote verdreht wird. Es werde ja alles mögliche verboten, von allen Seiten, meint Glogger, «Bücher, Frisuren – » und blickt verheissungsvoll ins Publikum, wo niemand reagiert. Dann Spillmann: «Mein siebenjähriger Enkel darf in der Schule nicht erzählen, dass sein Opa Jäger ist. Seine Lehrerin hat ihm aber auch gesagt, er dürfe ein Mädchen sein, wenn er das wolle. Es ist schon eine komische Welt.» Wieder Glogger: «Das hat jetzt eigentlich gar nichts mit dem Thema zu tun, aber kennen Sie die Geschichte von den zwei schwulen Pinguinen, die einen Stein ausbrüten wollten? Gibts als Kinderbuch, wurde in den USA verboten. Entschuldigung, das musste ich einfach loswerden.»

Einmal sagt Hertwig in Bezug auf legale Tierkäufe in Afrika: «Also wenn das Kolonialismus ist, dann weiss ich echt nicht.» Aber es sei doch genau der Punkt, den kolonialen Kontext solcher Beziehungen anzuschauen, der ja zweifellos existiert, sagt Krüger, langsam ungeduldig. Im Publikum klatscht einer wild und allein.

Dieser Text erschien zuerst in der Dezemberausgabe des KSB Kulturmagazins.