Parisienne Zitronengelb

Ich treffe mich mit Lee und Tjefin im Café Kairo. Beide sind in der Lorraine aufgewachsen und hier ist immer noch ihr Daheim, das Kairo immer schon ein bisschen das erweiterte Wohnzimmer. Horst Bar mit Fritten und Tanznacht im Keller. Sie legen zusammen auf als Acid Citrik, Tjefin hat unter dem Namen Buatoma kürzlich seine erste EP rausgebracht und das läuft alles unter dem Labelnamen Mafia of Spirit.

«Wenn man oft Partys organisiert, ist es halt auch geil, den eigenen Sound zu spielen», sagt Tjefin. Angefangen hat das mit Rap-Tracks, die man unter Freunden teilte. Aus dem Schlafzimmerstudio, mit gecracktem Logic und einem billigen Mikro. Sie hören beide viel Trap und Drill, mögen diese Aggressivität und den Dreck. «Wir waren an Feten, an denen man einfach verrückt wurde ab diesen Tracks. Das war was anderes als dieser House, den wir ja selber auch gespielt haben und mögen. Wilder, aber immer noch verdammt tanzbar – so muss es sein. Wir wollten das auch bei uns und warum nicht gleich selber machen?» Beide nippen zufrieden an ihrem Ingwertee – es ist verdammt kalt geworden in den letzten Tagen.

Gerade richten sie sich das Studio im Marzili ein, mit anderen Menschen zusammen, die auflegen und produzieren. Ihnen ist dieses Gemeinsame wichtig. Die direkte Resonanz untereinander, von Freund*innen und anderen, die Musik machen. «Wir sind mit unserem Sound genau zur richtigen Zeit gekommen. Viele wollten plötzlich wieder Acid, Ghetto, die schnellen House-Rhythmen, die in letzter Zeit wieder aufgekommen sind.»

«Das sieht man auch an Bookings in der Clubszene: Gabber Eleganza, Kettama, Partiboi69. Oder City Trance – da haben wir auch selber nach Typen aus den USA gespielt und klar fühlt sich das auch irgendwie absurd an, mit knapp zwanzig im Dachstock, an einer der verrücktesten Partys der Stadt.»

Dann plötzlich, 19:00 Uhr – letzte Runde schon vorbei im Kairo und mit sechs Flaschen Spez gehts tiefer ins Quartier. Wir klettern über das Fenster in eine Küche; mit einem Schmunzeln erzählen die beiden von der Besetzung vor einer Woche. Grosse Beutel voller Parisienne Gelb-Tabak liegen neben einer Stopfmaschine zum Befüllen dieser immer zerdrückten Zigarettenhülsen. Wir machen uns über einen Rest Penne aus der Bratpfanne her. Hayiti singt aus den Kofferboxen: «Jede Bitch macht jetzt auf D.I.Y, doch es gibt auch kein Zurück für Gina Wild.»

«Klar nervt es, dass wir jetzt Absagen bekommen. Aber dafür haben wir auch viel Zeit, um zu produzieren und dann wieder durchdrehen zu können», sagt Lee, nachdem wir im Rauchzimmer Platz genommen haben. Besetzungen und Sauvages, Lagerhäuser und stickige Keller; der Sound von Acid Citrik gehört dort hin. Eines ihrer Soundcloud-Sets bläst durch einen schlechten Lautsprecher im Haus und das bringt uns mindestens ein bisschen dorthin zurück. Zurück zu den schwitzenden Körpern, schlechten Drinks aus Plastikbechern und dem Geruch von frisch aufgetragener Sprühfarbe.

«Citrical Illness», die EP von Buatoma, erschien im Dezember und findet sich neben diversen Livesets auf dem Soundcloud-Account von Acid Citrik.